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See below for translation into Japanese and English; 下に和訳があります。

Katalogtext, November 2006
Ein schwarzer Strich setzt eine ganze Welt
Gedanken zu einigen Arbeiten von Hana Usui
Dr. Brigitte Hammer, Kunsthistorikerin

Mit dynamischer Intensität stürmt das Zeichengerät über das Blatt und formt drei Bündel aus schwarzen Linien, die wie in einer komplexen Choreographie den Bildraum ausloten. Schichten von verdünnter Tusche lassen einen zarten, wie duftend anmutenden Bildraum in vielzahligen Tönungen von Grau entstehen, indem sich der Farbauftrag in wolkenförmige Gebilde verdichtet oder helle Seenflecken mit verschwimmenden Rändern zum Vorschein kommen. Die drei gewinkelten Liniengruppen wirken wie auf Striche reduzierte Körper, die in einem wilden abstrakten Tanz umeinander schwingen.

Die auf den ersten Blick eher karg, in ihrer konsequenten Reduktion fast minimalistisch wirkenden Blätter der japanischen Künstlerin Hana Usui, entfalten eine erstaunliche Vielfalt der Formen, eine unglaublich nuancenreiche Farbigkeit und ein vielstimmiges Ausdrucksspektrum.

Sie beeindrucken beim genaueren Hinsehen durch die raffinierte Anwendung der maltechnischen Mittel, mit der die Bildwirkungen erzielt werden, und bleiben dabei doch schlicht und diszipliniert, ohne theatralische Geste oder überflüssige Showeffekte.

Hana Usui versteht es wie nur wenige Künstler ihre malerischen Ausgangsmaterialien Papier, japanische Tusche und Ölfarbe zu verwandeln und ihre materiellen Eigenschaften einerseits zu nutzen und andererseits vergessen zu machen. Wenn bei einigen Blättern die feinen Abstufungen der Farbe und die verschwimmenden Ränder der helleren Farbflecken auffallen, so kann man im Gespräch mit ihr erfahren, dass sie oft beide Seiten des dünnen Japanpapiers bearbeitet und so manche Wirkungen dadurch erzielt werden, dass eine Farbschicht von der Rückseite her durchschimmert.

Manchmal ist auch ein zweites Papier auf der Rückseite befestigt, sodass die „Schauseite“ des Blattes sich beim Aufhängen ein wenig von der Wand oder im Rahmen vom Bildträger abhebt und das Bild in eine schwebende Position bringt, was wiederum den Eindruck der Leichtigkeit und Anmut verstärkt. Das Verschwinden der materialen Qualitäten im Laufe des Arbeitsprozesses erscheint mir als eine ebenso beherrschende wie bemerkenswerte Eigenheit der Arbeiten von Usui, weil sie es auf unnachahmliche und besondere Weise schafft, mit ihrer Kunst immaterielle geistige Räume zu schaffen und auch für den Betrachter zu erschließen.

Die schwarzen Linien und ihre Wege über die Bildfläche oder ihre Bewegungen im Bildraum legen dabei die Spuren, an denen entlang sich die Wanderung in den poetischen Raum vollziehen kann. Sie sind breit und kräftig auf das Blatt gesetzt und gehen eine gerade Diagonale, knicken ab im flachen Winkel oder ändern abrupt die Richtung um 90°, sie sind glatt oder mit fransigen Rändern, exakt und scheinbar zielsicher, bis sie im Aufhören der Malbewegung ein gerades oder gerundetes Ende finden oder in einer feinen Spitze auslaufen. Sie können aber auch mit rhythmischen Schwüngen als kurze Akzente über das Bild hüpfen, sich zu Spiralen, Kreisen oder Ellipsen verknäueln, sich gegenseitig berühren oder Abstand halten, sich im parallelen Verlauf nähern und entfernen, in großen oder kleinen Bögen schwingen, sich kreuzen, durchschneiden oder in Zackensprüngen verzittern.

Dabei können die schwarzen Linien auf vielfältige Weise zur Erscheinung kommen. Bei Usui entstehen sie nicht nur, indem sie einen farbgetränkten Pinsel über die Blattoberfläche führt. Eine ausdrucksvolle schwarze Linie kann auch dadurch hervorgebracht werden, dass die Künstlerin mit der Rolle eine kleine Fläche mit schwarzer Ölfarbe bedeckt, dann einen Bogen Papier darauf legt und mit einem Schraubenzieher energisch und nachdrücklich über das Blatt streicht. Und wenn man bei der Vorführung nach dieser ersten Aktion gemeinsam das Blatt betrachtet, ist schon erkennbar, dass mit dieser „Prima Linea“ auch eine „Prima Idea“ gesetzt ist und sofort ein ganzer Raum, eine poetische Stimmung und eine vibrierende Atmosphäre entstanden ist.

Oder das Bild einer Landschaft … Wer je eine Reise nach Lanzarote unternommen hat, wird den Eindruck der von schwarzer Lava mit ihren erstarrten Fließspuren geprägten Landschaft für immer in seiner Erinnerung tragen, ebenso wie die Bilder von den charakteristischen halbrunden, von schwarzem Sandgriesel gefüllten beckenähnlichen Terrassen, in denen Tomaten oder Weintrauben wachsen. Und er wird solche Merkmale dieser Landschaft auf den Blättern Usuis wieder erkennen können, die zwar keine Titel tragen, aber in diesem Sommer anlässlich einer Reise auf die Insel entstanden sind.

An diesen Blättern lässt sich – gerade im Vergleich mit den Eindrücken von einer Reise – aber auch nachvollziehen, wie weit die Künstlerin den Prozess der Abstraktion voran treibt und dass der Verzicht auf eine Betitelung der Blätter keine Künstlermarotte ist, sondern direkt aus ihrem Kunstverständnis folgt, das keinen subjektiven Ausdruck emotionaler Zustände anstrebt. Vielmehr zielt ihre Arbeit auf die Entwicklung von Bildprozessen, die sich in Raum und Zeit, zwischen Einfall und Zufall, im Zusammenspiel von Empfinden, Denken und Handeln entwickeln und durch einen Entscheidungsakt der Künstlerin zu ihrem Endzustand kommen.

In einer kritischen Würdigung wurde Usui in die Nähe des abstrakten Expressionismus gestellt, doch sehe ich sie in ihrer Kunstauffasung eher in der Nähe des Minimalismus oder des vom Zen-Buddhismus beeinflussten John Cage, wenn man ihre Arbeit in eine Beziehung zur westlich-amerikanischen Kunst setzen will. Da Hana Usui seit einigen Jahren in Berlin lebt, könnte man auch Verbindungslinien zu abstrakt-informellen Traditionen deutscher Provenienz konstruieren und vielleicht wird man in einigen Jahren solche Einflüsse aus dem künstlerischen Erbe ihres neuen Lebensraumes entdecken können.

Dass die Künstlerin von der klassischen japanischen Kalligraphie herkommt, kann vielleicht nur noch ein ausgewiesener Kenner feststellen, aber dass sie eine ganz eigene Art entwickelt hat, eine Linie als autonome Form zu begreifen und sie als freie abstrakte Spur des Malaktes zu entwickeln, wird mit jedem Blatt überzeugend deutlich. Die Verbindung zu traditionellen Verfahrensweisen ist also im Wesentlichen von rhizomatischer Natur in der Auffassung des Malvorgangs als eines kontrollierten und meditativen Schaffensprozesses.

Der bedeutendste Schritt, der sie von klassischer Auffassung weg führte, liegt in der Bearbeitung der gesamten Bildfläche. Bei Usui gibt es keine Leerstellen und weißen Flächen, keinen Gegensatz zwischen Farbe und Nicht-Farbe, keine Differenzierung nach Motiv und Hintergrund, sondern nur eine vollständig bis zu den äußersten Rändern durchgestaltete Bildebene, die unabhängig davon, ob sie mit einem Rahmen oder im Plexiglaskasten präsentiert oder direkt auf der Wand befestigt wird, immer auch in ihre Umgebung und in den Raum abstrahlt und mit der ihr eigenen energetischen Intensität die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Katue Kitasono (1902-1978), ein namhafter Vertreter der „Visuellen Poesie“ in Japan, schrieb 1966 für die Zeitschrift „VOU“ einen programmatischen Artikel mit „Notizen über plastische Poesie“, dem nachfolgendes Zitat entnommen wurde: „Die Geschichte der Poesie, die mit einer Gänsefeder anfing, soll mit einem Kugelschreiber aufhören. Ob Poesie zugrunde geht oder Gelegenheit zur neuen Entwicklung hat, hängt davon ab, was für ein Ausdrucksmittel der gegenwärtige Künstler nach dem Kugelschreiber wählt.“ Hana Usui wählt nicht nur den Schraubenzieher, um ihre Kunst voran zu treiben. Fest steht aber, dass mit ihr Kunst und Poesie eine Zukunft haben.

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When one black line conjures an entire world
Thoughts on some of Hana Usui’s work
Dr. Brigitte Hammer
Translation Fiona McLellan

The brush storms over the paper with dynamic intensity and forms three bundles of black lines which sound out the space on the page like a complex choreography. Layers of thinned drawing ink call a delicate, seemingly fragrant space into being in countless tones of grey, in which the application of colour in cloud-like forms becomes dense, or bright lakes with blurring edges appear. The three angled collections of lines act as bodies reduced to single strokes, swaying round one another in a wild, abstract dance.

The works of Japanese artist Hana Usui may seem at first glance rather sparse, almost minimalistic in their vigorous reduction, but they disclose an astounding array of forms, a range of tone unbelieveably rich in nuance and a many-voiced spectrum of expression.

Closer examination reveals the artist’s impressively refined application of the media, which makes the image so effective, but, nevertheless, leaves it simple and disciplined, free from theatrical gestures or superfluous, showy effects.

Hana Usui understands, as only few artists do, how to transform her basic materials of paper, Japanese ink and oil paints and to use their characteristics on one hand, whilst expunging them on the other. If the fine layering of paint and the blurring edges of the brighter pools of colour seem to stand out in some pieces more than in others, this is because, says Hana Usui, she often works on both sides of the thin Japanese paper, with the effect that a layer of paint may glisten through from the other side.

Sometimes a second sheet of paper is fixed to the reverse so that the „viewing side“ of the painting, once hung, lifts a little from the wall, or from the edge of its frame, bringing the painting into a „floating“ position which, in turn, reinforces the impression of ease and grace. The vanishing of the material aspect in the course of the working process seems to me to be one of the characteristics, as dominant as it is remarkable, of Hana Usui’s work: inimitably and in her own particular way, she manages to create and to open up to the viewer of her work, intangible, ethereal spheres.

The black lines and their paths over the surface of the painting or their movement within the visual space lay down a trail via which the poetic space may be explored. They are composed, wide and strong on the paper, tracing a straight diagonal, bending slightly or changing direction abruptly by 90°, they are smooth, or with fringed edges, exact and apparently unerring until, their flow coming to its end, they conclude in a straight or rounded stub or expire in a fine point. Perhaps they even jump over the picture in rhythmical leaps appearing as short accents, or roll up into spirals, circles or ellipses, touching or keeping their distance, converging and diverging in parallel movement, swaying in large or small arches, crossing, cutting across each other’s paths, or quaking in prong-like jumps.

The black lines themselves may make their way onto the paper in many different ways. In Usui’s work they do not merely come into existence as result of a paint-drenched brush being lead across the surface of the paper. A black, full of expression, may also be the result of the artist using a roller to cover a small area of the paper with black oil paint, then laying a sheet of paper on top and brushing over this with energy and expression with a screw-driver. Examining the sheet of paper together with Usui, after this first part of the process, it is clear that not only „Prima Linea“ but also a „Prima Idea“ has been laid down, and immediately a whole space, poetic mood and vibrant atmosphere come into being.

Or the image of a landscape ... anyone who has ever made a journey to Lanzarote will never forget the impression this landscape made on them, characterised by black lava, set in solidified tracks, with tomatoes or grapes in typical semi-circular, basin-like terraces, filled with grainy, black sand: he will find an echo of such a landscape in Usui’s untitled pieces, which arose out of a visit to the island this summer.

These works make clear – particularly in relation to impressions from a journey – how far the artist urges on the process of abstraction and that the absence of title here is no mere artistic whim, but comes out of a feeling for art which does not aspire to subjective expression of emotional states. Her work aims much more at the development of visual processes which unfold in time and space, between incidence and coincidence and in the interplay of sensation, thought and action and achieve their final state through a decisive act on the part of the artist.

In a critical appraisal of her work, Usui was positioned close to abstract expressionism, but, if one wishes to place her work in relation to Western/American art, I see in her concept of art rather a proximity to minimalism or the Zen-Buddhism-influenced John Cage. As Hana Usui has been living for several years in Berlin, it might also be possible to construct a line connecting her to the abstract-informal traditions of German provenance and perhaps in several years’ time such influences from the artistic heritage of her new place of abode will indeed become apparent.

Perhaps only an expert would still be able to recognise that the artist comes from a background of Japanese calligraphy, but it is made abundantly clear in each piece of work that Hana Usui has gone on to develop her very own style, to understand the line as an autonomous form and to develop it as a free, abstract trail of the artistic act. The link to the traditional procedure lies, then, mostly in a basic perception of the artistic act as a controlled and meditative creative process.

The most important step Usui makes away from the classic concept of calligraphy is to work the entire surface of the paper. Usui leaves no uncovered or white areas, there is no opposition between painted and non-painted, no separation into motive and background, but only an image plane composed entirely, to its outermost edges, which, regardless of whether it is presented in a frame, in plexi-glass cases or hung directly on the wall, always radiates into the room and the surroundings and with this intensity of energy, draws the attention immediately to itself.

Katue Kitasono (1902-1978), a renowned proponent of „Visual Poetry“ in Japan, wrote the keynote article „Notes on Plastic Poetry“ in 1966 for the publication „VOU“, from which the following quotation has been taken: „The history of poetry, which began with a goose feather, is to end with a ball point pen. Whether poetry goes to ground or has the opportunity for new development, depends on which medium of expression the contemporary artist chooses after the ball point pen.“ Hana Usui chooses a screw driver, to drive her work on, but that is by far not all. One thing is clear, that with Usui, art and poetry have a future.

 

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